Monotoniekriterium

Dieser Artikel behandelt das Monotoniekriterium für Folgen und Reihen; zur Monotonie von Funktionen siehe Reelle monotone Funktion.
Nach dem Monotoniekriterium konvergiert eine monoton fallende, nach unten beschränkte Folge gegen einen Grenzwert.

Das Monotoniekriterium, auch Hauptkriterium oder Kriterium der monotonen Konvergenz, ist in der Mathematik ein wichtiges Konvergenzkriterium für Folgen und Reihen. Mit dem Monotoniekriterium kann die Konvergenz einer beschränkten und monoton wachsenden oder fallenden Folge reeller Zahlen nachgewiesen werden, ohne dass ihr genauer Grenzwert bekannt ist. Entsprechendes gilt auch für Reihen mit nichtnegativen oder nichtpositiven Summanden.

Monotoniekriterium für Folgen

Kriterium

Das Monotoniekriterium für Folgen lautet:

Eine monoton wachsende Folge reeller Zahlen konvergiert genau dann (gleichbedeutend: die Folge hat genau dann einen Grenzwert), wenn sie nach oben beschränkt ist.

Da das Konvergenzverhalten einer Folge nicht von endlich vielen ersten Folgengliedern abhängt, reicht als Voraussetzung aus, dass sich die Folge ab einem bestimmten Folgenglied monoton verhält. Gibt es also in einer Folge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} reeller Zahlen einen Index N N {\displaystyle N\in \mathbb {N} } so, dass

a n a n + 1 {\displaystyle a_{n}\leq a_{n+1}}

für alle n N {\displaystyle n\geq N} ist, und gibt es weiter eine reelle Schranke K {\displaystyle K} so, dass

a n K {\displaystyle a_{n}\leq K}

für alle n N {\displaystyle n\geq N} ist, dann konvergiert diese Folge, und für den Grenzwert gilt

lim n a n K {\displaystyle \lim _{n\to \infty }a_{n}\leq K} .

Analog dazu konvergiert eine monoton fallende Folge genau dann, wenn sie nach unten beschränkt ist, und ihr Grenzwert ist dann mindestens so groß wie die untere Schranke. Mit dem Monotoniekriterium kann somit die Existenz des Grenzwerts einer monotonen Folge nachgewiesen werden, ohne dass der genaue Grenzwert bekannt ist.

Beweis

Betrachtet wird der Fall einer monoton wachsenden und nach oben beschränkten Folge ( a n ) {\displaystyle (a_{n})} .

Schritt A
Zunächst wird gezeigt, dass eine für fast alle Glieder monoton wachsende, nach oben beschränkte Folge konvergent ist.
Nach Voraussetzung hat die Menge fast aller Folgenglieder
A = { a n , n N } {\displaystyle A=\{a_{n},n\geq N\}}
ein Supremum a = sup A {\displaystyle a=\sup A} , weil sie beschränkt ist.[1]
Sei ε > 0 {\displaystyle \varepsilon >0} beliebig gewählt. Da A {\displaystyle A} keine kleinere obere Schranke als a = sup A {\displaystyle a=\sup A} hat, ist a ε {\displaystyle a-\varepsilon } ab dem Index N {\displaystyle N} keine obere Schranke von ( a n ) {\displaystyle (a_{n})} . Daher gilt
a ε < a M a {\displaystyle a-\varepsilon <a_{M}\leq a} .
für einen geeignet gewählten Index M N {\displaystyle M\geq N} . Da ( a n ) {\displaystyle (a_{n})} ab dem Index N {\displaystyle N} monoton wachsend ist, gilt
a ε < a m a {\displaystyle a-\varepsilon <a_{m}\leq a}
für alle m > M N {\displaystyle m>M\geq N} . Also ist
| a m a | = a a m < ε {\displaystyle |a_{m}-a|=a-a_{m}<\varepsilon } ,
und somit konvergiert die Folge (und zwar gegen das Supremum a {\displaystyle a} fast aller ihrer Glieder).
Schritt B
Zu zeigen bleibt, dass eine für fast alle Glieder monotone wachsende, konvergente Folge nach oben beschränkt ist. Der Beweis wird indirekt geführt.
a = lim n a n {\displaystyle a=\lim _{n\to \infty }a_{n}}
sei der Grenzwert einer ab dem Index N {\displaystyle N} monoton wachsenden Folge. Angenommen wird die Existenz eines Folgenglieds
a n 0 N > a {\displaystyle a_{n_{0}\geq N}>a} .
Da ( a n ) {\displaystyle (a_{n})} für fast alle a n {\displaystyle a_{n}} monoton wachsend ist, gilt
a n a n 0 {\displaystyle a_{n}\geq a_{n_{0}}\qquad } (1)
für alle n > n 0 N {\displaystyle n>n_{0}\geq N} .
Sei ε = a n 0 a > 0 {\displaystyle \varepsilon =a_{n_{0}}-a>0} gewählt. Dann gibt es ein M n 0 {\displaystyle M\geq n_{0}} so, dass für alle m > M n 0 {\displaystyle m>M\geq n_{0}} gilt:
a m < a + ε = a n 0 {\displaystyle a_{m}<a+\varepsilon =a_{n_{0}}} ,
im Widerspruch zu (1). Also existiert a n 0 N > a {\displaystyle a_{n_{0}\geq N}>a} nicht, und ( a n ) {\displaystyle (a_{n})} ist für alle n N {\displaystyle n\geq N} durch ihren Grenzwert a {\displaystyle a} nach oben beschränkt.
{\displaystyle \Box }

Ganz analog ist zu zeigen, dass:

  • eine monoton fallende, nach unten beschränkten Folge (gegen das Infimum fast aller ihrer Glieder) konvergiert, und dass
  • eine monoton fallende, konvergente Folge durch ihren Grenzwert nach unten beschränkt ist.

Beispiel

Die Folge mit der Vorschrift

a n = n n + 1 {\displaystyle a_{n}={\frac {n}{n+1}}}

ist monoton wachsend, da

a n = n n + 1 = n ( n + 2 ) ( n + 1 ) ( n + 2 ) < n ( n + 2 ) + 1 ( n + 1 ) ( n + 2 ) = ( n + 1 ) 2 ( n + 1 ) ( n + 2 ) = n + 1 n + 2 = a n + 1 {\displaystyle a_{n}={\frac {n}{n+1}}={\frac {n(n+2)}{(n+1)(n+2)}}<{\frac {n(n+2)+1}{(n+1)(n+2)}}={\frac {(n+1)^{2}}{(n+1)(n+2)}}={\frac {n+1}{n+2}}=a_{n+1}} ,

und es gilt

a n = n n + 1 = n + 1 1 n + 1 = 1 1 n + 1 < 1 {\displaystyle a_{n}={\frac {n}{n+1}}={\frac {n+1-1}{n+1}}=1-{\frac {1}{n+1}}<1}

für alle n {\displaystyle n} . Somit konvergiert die Folge gegen einen Grenzwert mit

lim n a n 1 {\displaystyle \lim _{n\to \infty }a_{n}\leq 1} .

Wie man an diesem Beispiel sieht, kann der Grenzwert einer Folge gleich der angegebenen Schranke sein, selbst wenn jedes Folgenglied echt kleiner als die Schranke ist.

Anwendung

In der Praxis wird das Monotoniekriterium oft auch in der Form angewendet, dass man zu einer monoton wachsenden Folge ( a n ) {\displaystyle (a_{n})} eine monoton fallende Folge ( b n ) {\displaystyle (b_{n})} findet, die a n b n {\displaystyle a_{n}\leq b_{n}} für alle n N {\displaystyle n\geq N} erfüllt. Dann konvergieren sowohl ( a n ) {\displaystyle (a_{n})} als auch ( b n ) {\displaystyle (b_{n})} und es gilt

lim n a n lim n b n {\displaystyle \lim _{n\to \infty }a_{n}\leq \lim _{n\to \infty }b_{n}} .

Beispielsweise ist die zur Definition der eulerschen Zahl verwendete Folge

a n = ( 1 + 1 n ) n {\displaystyle a_{n}=\left(1+{\frac {1}{n}}\right)^{n}}

monoton wachsend und die Folge

b n = ( 1 + 1 n 1 ) n {\displaystyle b_{n}=\left(1+{\frac {1}{n-1}}\right)^{n}}

monoton fallend. Nachdem a n < b n {\displaystyle a_{n}<b_{n}} gilt, konvergieren beide Folgen. Bildet (wie in diesem Beispiel) b n a n {\displaystyle b_{n}-a_{n}} eine Nullfolge, so liegt eine Intervallschachtelung vor und es gilt sogar

lim n a n = lim n b n {\displaystyle \lim _{n\to \infty }a_{n}=\lim _{n\to \infty }b_{n}} .

Monotoniekriterium für Reihen

Kriterium

Das Monotoniekriterium für Reihen lautet:

Eine Reihe mit nichtnegativen reellen Summanden konvergiert genau dann gegen einen Grenzwert, wenn ihre Partialsummen nach oben beschränkt sind.

Dabei reicht es ebenfalls aus, dass die Summanden ab einem bestimmten Index nichtnegativ sind. Gilt also für die Summanden einer Reihe i = 1 a i {\displaystyle \textstyle \sum _{i=1}^{\infty }a_{i}}

a i 0 {\displaystyle a_{i}\geq 0}

für alle i N {\displaystyle i\geq N} und ist die Folge ( s n ) n N {\displaystyle (s_{n})_{n\in \mathbb {N} }} der Partialsummen

s n = i = 1 n a i K {\displaystyle s_{n}=\sum _{i=1}^{n}a_{i}\leq K}

durch eine reelle Schranke K {\displaystyle K} nach oben beschränkt, dann konvergiert diese Reihe und es gilt für den Grenzwert

i = 1 a i = lim n s n K {\displaystyle \sum _{i=1}^{\infty }a_{i}=\lim _{n\to \infty }s_{n}\leq K} .

Analog dazu konvergiert eine Reihe mit nichtpositiven reellen Summanden genau dann, wenn ihre Partialsummen nach unten beschränkt sind. Eine Reihe, die dem Monotoniekriterium genügt, ist dabei nicht nur konvergent, sondern sogar absolut konvergent.

Beispiel

Es wird die Reihe

i = 1 1 i 2 = 1 + 1 4 + 1 9 + 1 16 + {\displaystyle \sum _{i=1}^{\infty }{\frac {1}{i^{2}}}=1+{\frac {1}{4}}+{\frac {1}{9}}+{\frac {1}{16}}+\ldots }

auf Konvergenz untersucht. Die Summanden sind alle nichtnegativ, deswegen ist das Monotoniekriterium anwendbar. Die Partialsummen der Reihe sind nach oben beschränkt, denn es gilt die Ungleichung

1 i 1 1 i = i ( i 1 ) i ( i 1 ) = 1 i 2 i > 1 i 2 {\displaystyle {\frac {1}{i-1}}-{\frac {1}{i}}={\frac {i-(i-1)}{i(i-1)}}={\frac {1}{i^{2}-i}}>{\frac {1}{i^{2}}}}

und nach Auflösung der resultierenden Teleskopsumme die Abschätzung

s n = i = 1 n 1 i 2 < 1 + i = 2 n ( 1 i 1 1 i ) = 1 + ( 1 1 n ) < 2 {\displaystyle s_{n}=\sum _{i=1}^{n}{\frac {1}{i^{2}}}<1+\sum _{i=2}^{n}\left({\frac {1}{i-1}}-{\frac {1}{i}}\right)=1+\left(1-{\frac {1}{n}}\right)<2} .

Demnach konvergiert die Reihe gegen einen Grenzwert, der höchstens 2 {\displaystyle 2} ist. Der tatsächliche Grenzwert dieser Reihe liegt bei π 2 6 = 1,644 9 {\displaystyle {\tfrac {\pi ^{2}}{6}}=1{,}6449\ldots } .

Beweis

Auch hier reicht es aus, den Fall einer Reihe mit nichtnegativen Summanden zu betrachten. Eine Reihe konvergiert, wenn die Folge ihrer Partialsummen konvergiert. Aus a i 0 {\displaystyle a_{i}\geq 0} für i N {\displaystyle i\geq N} folgt nun

s n + 1 = s n + a n + 1 s n {\displaystyle s_{n+1}=s_{n}+a_{n+1}\geq s_{n}}

für n N {\displaystyle n\geq N} , wodurch die Folge ( s n ) {\displaystyle (s_{n})} der Partialsummen ab diesem Index monoton wachsend ist. Weiterhin ist die Folge der Partialsummen nach Voraussetzung nach oben beschränkt. Aus dem Monotoniekriterium für Folgen folgt dann die Konvergenz der Partialsummenfolge und damit die Konvergenz der Reihe.

Siehe auch

  • Cauchy-Kriterium

Literatur

  • Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis – Teil 1. Springer, 2009, ISBN 3-8348-0777-X. 
  • Wolfgang Walter: Analysis 1, Band 1. Springer, 2004, ISBN 3-540-20388-5. 
Wikibooks: Mathe für Nicht-Freaks: Monotoniekriterium für Folgen – Lern- und Lehrmaterialien

Anmerkungen

  1. Näheres zum Begriff des Supremums und zur Existenz des Supremums für beschränkte Teilmengen der reellen Zahlen finden sich in den hier verlinkten Abschnitten des Artikels Infimum und Supremum.